Text: Monika Modersitzki
Blick in den Orient
Mit einer herzlichen Verabschiedung und mit Einladungen in die Türkei nach Istanbul endete die 10. Gröbenzeller Quiltausstellung mit dem Thema Blick in den Orient.
Unser Dank gilt allen, die viel Zeit investiert haben und allen, die sich engagiert haben, damit diese außergewöhnliche aufwändige Ausstellung erfolgreich stattfinden konnte.
Insbesondere sind wir dankbar, dass die türkischen Künstlerinnen keine Mühe gescheut haben, mit ihren wertvollen Ausstellungsstücken nach Deutschland zu reisen. Unsere türkische Gastgruppe hat exzellente Arbeiten präsentiert. Die Frauen hatten Köstlichkeiten aus Istanbul mitgebracht und schenkten diese zusammen mit Glücksbringern – nazarlık - den Besuchern der Ausstellung. So erlebten alle Besucher einen typischen Wesenszug der türkischen Gesellschaft: die Gastfreundschaft, die man einem Gast respektvoll entgegenbringt.
Der Kontakt zu Elisabeth Strub-Madzar, die als Leiterin der türkischen Gastgruppe leider nicht dabei sein konnte, wurde während der Ausstellung gehalten. Die Bilder, die wir ihr schickten, sprechen für sich: “… je vois que l'ambiance était très joyeuse et c'est le principale; partager la culture, l'amour et beaucoup de tolérance.“ (Elisabeth Strub-Madzar)
Die farbenfrohen orientalischen Kissen der Jugendgruppe Impuls und der Gröbenzeller Quiltgruppe fanden bei vielen Besuchern sofort Gefallen. Sie mussten aber bis zum Schluss der Ausstellung auf ihrem Platz bleiben.
Wie haben sich die Künstlerinnen mit dem Orient beschäftigt? Was stellen die textilen Arbeiten dar? Wo liegen die kulturellen Hintergründe? Welches sind die Wesenszüge einer unverkennbar islamischen Kunst?
Zu diesen Themen gab Monika Modersitzki in ihrem Vortrag Ornamente und Symmetrie eine erste Übersicht, die einige Besucher zu weiteren Diskussionen bezüglich der islamischen Kultur ermunterte. Die Referentin informierte ihre Zuhörer über Formen, Stile und Entwicklungen in der islamischen Ornamentik. Ausgerüstet mit einer breiten theoretischen Basis konnten die Besucher nun auch die tiefere Bedeutung der Ausstellungsstücke erkennen.
Die Tore - Gemeinschaftsarbeit der Gröbenzeller Quiltgruppe und Herzstück der Ausstellung - machten die islamische Ornamentik, die sich aus komplexen geometrischen Mustern, kalligrafischen Texten und floralen Arabesken zusammensetzt, erlebbar. Ebenso die Kaftane, bei denen diese Elemente im Design als Motive wieder aufgegriffen wurden.
Außergewöhnlich erschien einigen Besuchern der Kaftan Kapaniçe. Bei diesem Kaftan wurde das Grundgewebe mit Polyester-Goldstoffen und Goldfaden hergestellt. Mit der Machart ist es gelungen, die Exklusivität und gleichzeitig die Brüchigkeit des Seidengewebes Seraser darzustellen. Seraser war ein aus Gold- und Silberfäden gewebter Seidenstoff, dessen Oberfläche schillernd wirkt. Dieser Seidenstoff galt als eine der kostbarsten Stoffarten, die im Osmanischen Reich hergestellt wurden. Mit Pelz verbrämt war diese Machart eines Kaftans dem Sultan vorbehalten. Selbstverständlich wurde bei der Herstellung des Kaftans für die Ausstellung auf Kunstfell zurückgegriffen. Mehr Informationen über diesen Kaftan siehe hier.
Wer genau hinschaute, konnte das çintamani Motiv, das sich dem Besucher bei der Betrachtung eines Seidenkaftans auftat,
auch auf den in Konya hergestellten Stickquadraten entdecken.
Die unterschiedlichen Richtungen im Islam wurden in den Arbeiten der türkischen Gastgruppe thematisiert: Kalligrafie und Motive führten die Besucher zu Themen wie Alevitentum und Mystik. Mehr über die Quilts zu den tanzenden Derwischen gibt es hier.
Beeindruckend war das Werk Gizem von Elisabeth Strub-Madzar. Diese Arbeit - zum Gedenken an ein junges Mädchen, dessen Organspende drei anderen Menschen das Leben verlängerte - erschien wie eine osmanische Miniatur des 16. Jahrhunderts.
Mit ihrer 10. Ausstellung hat die Gröbenzeller Quiltgruppe historisches Terrain betreten. Die ausgestellten Werke und die eingeladenen Gäste boten den Besuchern einen Einblick in die osmanisch-türkische Kultur und in die afghanische Gesellschaft. Sie legten Grundlagen für eine tiefere Auseinandersetzung mit Aspekten der islamischen Kultur in der Vergangenheit sowie in der Gegenwart.
Wem Gröbenzell zu nah, zu klein war, oder wer aus anderen Gründen die Ausstellung verpasst hat: Die Tore und die Kaftane sowie weitere Arbeiten der Gröbenzeller Quiltgruppe zum Thema Orient werden vom 9. bis zum 10. Juli 2016 im Rahmen der Textile Art Berlin zu sehen sein. Ergänzend zur Ausstellung empfehlen wir einen Besuch im Museum für Islamische Kunst, Berlin.
Wir erwarten uns gute Gespräche und einen lebendigen Austausch mit den Besuchern in Berlin.